Wer krankheitsbedingt nicht arbeiten kann, hat in Deutschland einen gesetzlichen Anspruch auf die Fortzahlung seines Lohns durch den Arbeitgeber. Dieses System der Lohnfortzahlung (oder auch Entgeltfortzahlung) sichert Arbeitnehmer in den ersten Wochen einer Erkrankung finanziell ab. Doch welche Voraussetzungen gelten, wie lange und in welcher Höhe wird gezahlt und welche Pflichten haben Arbeitnehmer? Ein umfassender Überblick.
Die Grundvoraussetzungen für den Anspruch
Um Lohnfortzahlung im Krankheitsfall zu erhalten, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Die wichtigste gesetzliche Grundlage hierfür ist das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG).
- Bestehendes Arbeitsverhältnis: Der Anspruch auf Lohnfortzahlung entsteht erst, wenn das Arbeitsverhältnis ununterbrochen vier Wochen bestanden hat. Diese sogenannte Wartezeit beginnt mit dem vereinbarten Tag der Arbeitsaufnahme. Erkrankt ein neuer Mitarbeiter innerhalb dieser ersten vier Wochen, springt in der Regel die Krankenkasse mit Krankengeld ein.
- Arbeitsunfähigkeit durch Krankheit: Der Arbeitnehmer muss infolge einer Krankheit arbeitsunfähig sein. Das bedeutet, er kann seine vertraglich geschuldete Arbeitsleistung nicht erbringen oder würde durch die Arbeit seinen Gesundheitszustand verschlimmern.
- Kein eigenes Verschulden: Die Arbeitsunfähigkeit darf nicht selbst verschuldet sein. Ein Verschulden liegt jedoch nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz vor. Ein gewöhnlicher Sportunfall oder eine Erkältung nach einem Spaziergang im Regen gelten in der Regel nicht als selbstverschuldet. Anders sieht es bei Unfällen unter Alkoholeinfluss oder Verletzungen bei besonders gefährlichen Sportarten aus.
Dauer und Höhe der Lohnfortzahlung
Der gesetzliche Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber ist klar geregelt:
- Dauer: Die Lohnfortzahlung wird für die Dauer von bis zu sechs Wochen (42 Kalendertage) für dieselbe Krankheit gewährt.
- Höhe: Die Höhe der Lohnfortzahlung beträgt 100 Prozent des Bruttogehalts, das der Arbeitnehmer erhalten hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre. Dazu zählen auch Zulagen für Sonn-, Feiertags- oder Nachtarbeit. Überstunden werden nur dann berücksichtigt, wenn sie regelmäßig angefallen sind.
Bei wiederholten Erkrankungen ist zu unterscheiden: Beruht die neue Arbeitsunfähigkeit auf einer anderen Krankheit, entsteht ein neuer Anspruch auf sechs Wochen Lohnfortzahlung. Handelt es sich jedoch um dieselbe Grunderkrankung (Fortsetzungserkrankung), werden die Krankheitszeiten zusammengerechnet, bis der 42-Tage-Zeitraum ausgeschöpft ist. Ein neuer Anspruch auf sechs Wochen wegen derselben Krankheit entsteht erst wieder, wenn zwischen den Arbeitsunfähigkeiten mindestens sechs Monate lagen oder seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Krankheit zwölf Monate vergangen sind.
Pflichten des Arbeitnehmers im Krankheitsfall
Arbeitnehmer haben im Krankheitsfall bestimmte Pflichten, deren Verletzung den Anspruch auf Lohnfortzahlung gefährden kann:
- Unverzügliche Krankmeldung: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, dem Arbeitgeber seine Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer unverzüglich mitzuteilen. Dies sollte idealerweise vor Arbeitsbeginn am ersten Krankheitstag per Telefon, E-Mail oder auf einem anderen schnellen Weg geschehen.
- Ärztliche Bescheinigung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung): Dauert die Arbeitsunfähigkeit länger als drei Kalendertage, muss der Arbeitnehmer spätestens am darauffolgenden Arbeitstag eine ärztliche Bescheinigung (den „gelben Schein“) vorlegen. Seit 2023 erfolgt dies in der Regel digital durch die Arztpraxis direkt an die Krankenkasse, die den Arbeitgeber dann elektronisch über die Dauer der Arbeitsunfähigkeit informiert (eAU). Der Arbeitgeber kann die Vorlage der Bescheinigung aber auch schon ab dem ersten Krankheitstag verlangen.
Diese Pflichten bestehen auch nach Ablauf der sechs Wochen Lohnfortzahlung weiter, solange die Arbeitsunfähigkeit andauert.
Nach den sechs Wochen: Das Krankengeld
Endet der Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den Arbeitgeber nach 42 Tagen, sind gesetzlich krankenversicherte Arbeitnehmer in der Regel durch das Krankengeld der Krankenkasse abgesichert.
- Zuständigkeit: Die Krankenkasse zahlt das Krankengeld. Ein gesonderter Antrag ist meist nicht notwendig, da die Krankenkasse in der Regel proaktiv auf den Versicherten zukommt.
- Höhe des Krankengeldes: Das Krankengeld ist niedriger als die Lohnfortzahlung. Es beträgt in der Regel 70 Prozent des regelmäßigen Bruttoentgelts, jedoch nicht mehr als 90 Prozent des Nettoentgelts.
- Dauer des Krankengeldbezugs: Wegen derselben Krankheit kann Krankengeld für maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren bezogen werden. Die Zeit der Lohnfortzahlung wird hierauf angerechnet.
Wann der Arbeitgeber die Zahlung verweigern kann
In bestimmten Fällen hat der Arbeitgeber das Recht, die Lohnfortzahlung zu kürzen oder gänzlich zu verweigern:
- Verspätete oder fehlende Krankmeldung: Kommt der Arbeitnehmer seiner Melde- oder Nachweispflicht nicht nach, kann der Arbeitgeber die Zahlung zurückhalten, bis die erforderlichen Unterlagen vorliegen.
- Verschuldete Arbeitsunfähigkeit: Wie bereits erwähnt, kann bei grobem Selbstverschulden der Anspruch entfallen.
- Anzweifeln der Arbeitsunfähigkeit: Hat der Arbeitgeber begründete Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunfähigkeit (z.B. wenn der Mitarbeiter während der Krankschreibung bei einer konkurrierenden Tätigkeit angetroffen wird), kann er die Zahlung verweigern und von der Krankenkasse eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst (MD) verlangen.
Zudem kann eine Kürzung von Sonderzahlungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld bei längerer Krankheit zulässig sein, wenn dies im Arbeits- oder Tarifvertrag entsprechend geregelt ist. Die Kürzung darf jedoch für jeden Krankheitstag ein Viertel des durchschnittlichen Tageslohns nicht überschreiten.